„Stellt euch ordentlich hin!“, ruft die Lehrerin Luisa den
knapp 30 Kindern zu, die sich um ihren Stuhl und die vielen Schüsseln tummeln,
die nun gefüllt werden sollen.
„Zuerst singt ihr“, und auf ihr Kommando
erklingt der schiefe, laute Chor von meinen Kids in Mulacancha.
„Cumpleaños feliz, te deseamos a tí…“, während rechts im
Lehmofen in Limonen und Senf eingelegtes Hühnchen brutzelt und ich von links
von der Kindergärtnerin Rosenda mit Konfetti berieselt werde. Dann werde ich
von 60 zierlichen Kinderarmen auf einmal umarmt und mit feuchten Küsschen
beladen. So habe ich noch nicht Geburtstag gefeiert – denn obwohl ich in der
Nacht vorher einige jugendliche Alcaleños und natürlich unsere Hostelfamilie
auf ein paar selbstgemixte Drinks eingeladen hatte, ist dieser Tag mindestens
genauso schön.
Die Kinder essen sich am Hühnchen, den Reis und den Kartoffeln
satt und die Lehrer unterhalten sich bei einen guten Holzschale Chicha mit uns
über Weihnachten. Und ich meine das Weihnachten bei 30°, mit Panflötenmusik und
federgeschmückten Straßentänzern. Natürlich.
Mittags werden wir von ein paar Mädchen begleitet, die ihren
Weg durch die Berge gehen müssen. „Bleibt stehen, hier wächst Yakon-Yakon“, und
da hat sich Ana-María schon auf den Boden gekniet und haut mit einem Stein auf
einen Stock, als wäre es ein Meißel, mitten auf einer Rasenfläche. Was sie
schon wieder treibt, fragen wir sie, und sie zeigt uns einen Grashalm der
ausnahmsweise zwei anstatt nur einen Halm hat. „Das ist Yakon-Yakon. Man holt
das Gras raus und unten dran sind Mini-Kartoffeln“, und tatsächlich, als sie
den Grashalm rauszieht, zum Fluss läuft um ihn abzuwaschen, hängen zwei kleine
Bohnen am Grashalm, sie so schmecken wie Sojasprossen.
Turning 20
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Mit einem lauten KNALL werde ich aus dem dösenden Zustand
gerissen, in dem ich mich in der viel zu warmen, dunklen Flota befunden habe.
Ein Reifen ist geplatzt.
„Wir wussten es doch gleich, wir haben auch viel zu
viel Gepäck geladen“ rufen unsere Mitfahrer in einer Mischung aus Quechua und
Spanisch. Im Bus sind fast nur J’alqa-Leute, die aus den Dörfern in den Bergen
um Sucre herum kommen, in die wir gerade unterwegs sind. Kleine Bergdörfer, die
ihre Kartoffeln und Mais selber anbauen weil es so selten Flotas dorthin gibt.
„Ach das haben wir gleich“, sagt der Fahrer und hebt den
riesigen, rostigen Bus mit einer Hebebühne an. Ersatzreifen und Schraubstock
sind natürlich an jeder Flota am Start, nur für den Fall von letzter Woche, als
wir den Bus aus einer Schlammpfütze schieben mussten, sind die Dinge nutzlos.
Wir fahren also bald weiter, steigen in pechschwarzer Nacht
aus und schlagen unser Lager auf. Mit dem ersten Hahnenkrähen und Blick in den
gleißend weißen Himmel fällt uns auf: Wir haben an einem Hauptverkehrspunkt
gezeltet: An uns ziehen Cholita-Mütter mit ihren Kindern vorbei und Bauern, die
ihre Stiere und den Pflug im Schlepptau haben. Schnell packen wir zusammen und
machen uns auf den Weg, die Sonne im Rücken, die nach und nach auch die höchste
Bergspitze berührt, kommen wir vorbei an Schluchten mit türkisen oder roten
Flüssen, und Erdschichten in den Bergen, die aussehen als hätte jemand mit
Wasserfarben darüber gepinselt.
Nach ingesamt 9 Stunden, inklusive Klettereinlage über
steile Felsen, weil ein Weg eingestürzt ist, kommen wir pünktlich zu einem
richtigen Monsunregen in unserem Zieldorf des Ausflugs an, Potolo. Eine sehr
alte, sehr süße Dame findet uns und lädt uns zu sich in den Garten ein, wo
überdacht ein Feuer an ist über dem wir unsere Sachen kochen dürfen. Und der
Schlafplatz ist auch schnell gefunden: In einem Rohbau an der Straße legen wir
uns in unsere Schlafsäcke, als plötzlich der Besitzer reinkommt, durch das
Zimmer nach hinten auf den Hof geht und sagt „Oh, wo seid ihr denn her? Schlaft
bloß gut, aber tut mir Leid, hier tropft es rein!“. Kein Problem, sagen wir,
und erzählen ihm dass es in Deutschland grade schlimmer wäre. „Dann schickt uns
bitte Regen hierher, wenn ihr zurückkehrt. Sonst streiten sich die Menschen
wieder zuviel um das Wasser.“
3 Monate sind um, 3 Monate in unserem Bolivien, das wir
mittlerweile wie unsere Westentasche kennen und doch noch überhaupt nichts
gesehen haben. Mit der Aussicht auf ein interessantes Seminar Anfang Dezember
und unseren Beginn in die Sommerferien danach bis Februar – und damit unsere
Reisezeit – schließe ich diesen Bericht. Und auch damit, dass mir mittlerweile
viele Menschen ziemlich fehlen.
que seamos imparables!
Ein Weggefährte :
Oh mein Gott Georgi, wenn ich das hier so lese, kommt mir das alles so irreal vor, als würdest du in einer ganz anderen Welt leben- und das tust du wohl auch. Ich wuerde so gern mal vorbei kommen und einfach alles anschauen, mit auf die Trips gehen und in die Schule, durch die Berge, in den verrosteten Autos, zum Zelten unterm Sternenhimmel. Du fehlst !Love vom anderen Ende ! PS. Wir haben 35 Grad jetzt, Weihnachten sinds 40 :D
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